Vergessene Bielefelderinnen: Hertha König (1884-1976): Schriftstellerin, Kunstsammlerin, Salonière und Gutsverwalterin.
Der Garten tränt, von Nebel übermannt;
Von trocknem Laube knisterts unterm Schritt;
Ein Apfel, der zu spät vom Zweige glitt,
Fällt hart zu Boden. An der Mauerwand
Kriecht wilder Wein und spreizt die welke Hand.
Schilfkolben streuen weiße Flocken aus
Um dunkle Rosen, die erloschen, kraus
Veraschen auf des Wegs getrübtem Sand
Noch ist auf meinem Beet nicht alles tot:
Herbstaster mit dem zackig-zähen Blatt
Hält frühem Reife Trotz. Noch leuchtet matt
Vom braunen Stiel ihr ernsthaft rührend Rot;
Und weil sie als die letzte blüht im Jahr,
Sagt man, daß sie die Allerschönste war.
(aus: Sonette, Leipzig 1917)
Dieses Herbstgedicht, was wunderbar zu diesen Oktobertagen passt, stammt aus der Feder Hertha Königs. Die Tochter eines Gutsbesitzers wuchs auf Gut Böckel, etwa 25 Kilometer von Bielefeld entfernt, auf. Sie machte zunächst eine Ausbildung als Krankenschwester, fing dann bald mit dem Schreiben von Gedichten an.
Sie zog nach München, wo sie in Künstlerkreisen verkehrte und Gastgeberin eines literarischen Salons wurde. Möglich machte dies das Erbe ihres Großvaters, eines Zuckerfabrikanten. Eine besondere Freundschaft verband sie mit dem Dichter Rainer Maria Rilke.
1920 kehrte sie nach dem Tod ihres Vaters nach Westfalen zurück und übernahm die Verwaltung des 500 Hektar großen, elterlichen Gutes. Bis ins hohe Alter verfasste Hertha König hier Gedichte, Romane und Erzählungen, obwohl sie während ihres Lebens immer wieder unter Depressionen litt. Heute vor 45 Jahren starb sie.
Nach ihrem Tod vermachte sie ihren gesamten Nachlass der Stadt Bielefeld. Ihre umfangreiche Privatbibliothek befindet sich heute in der Bielefelder Stadtbibliothek. Ihre Kunstwerke (130 Gemälde, Graphiken, Skulpturen und 50 Hinterglasbilder), darunter auch Bilder von Picasso, Klee und Hodler, erhielt die Bielefelder Kunsthalle.