„Münster. Über die Beerdigung des Referendars Holtmann, welcher in einem Duell gefallen, berichtet man der „Westf. Prov-Ztg.“ aus Bielefeld, 3. April: Gestern morgen verbreitete sich hier die Nachricht, daß die Leiche des (kath.) Referendars Holtmann am Abend vorher eingetroffen sei, um auf dem Kirchhofe der Vorstadt Gadderbaum beerdigt zu werden. An drei Stellen in Münster hatte dem Vernehmen nach die Familie versucht, einen Platz auf geweihter Erde für den Gefallenen zu erlangen. Man hatte ihm höchstens einen Platz neben den Selbstmördern anweisen wollen!
Darauf hat man gesucht, die Leiche in der Heimath Beckum zu beerdigen; doch war man dort auf dieselben Schwierigkeiten gestoßen. So war die Leiche hierher gebracht, wo ein Bruder des Verstorbenen wohnt. Die Einzelheiten, welche man über die in Münster stattgehabten Verhandlungen betreffs des Begräbnisses vernahm, riefen hier große Aufregung hervor.
Das Begräbnis gestaltete sich zu einer wirklich imposanten Kundgebung gegen die hervor getretene Intoleranz.
Um 3 1/2 Uhr bewegte sich der Zug vom Kesselbrink aus; an der Spitze befand sich die verstärkte Bielefelder Kapelle, die abwechselnd durch Choräle und Trauermärsche die Feier hob. Hinter die nun am Anfang steht] den Verwandten des Gefallenen folgte in Corpore das zahlreiche Kollegium des Land- und Amtsgerichts, an ihrer Spitze der Präsident Löwenstein1 und der erste Staatsanwalt Günther2. Es schlossen sich dann circa 200 Bürger an, und den Beschluß machte eine ansehnliche Reihe der Bielefelder Studirenden. Am Grab hielt der evangelische Pfarrer Jordan3 ein eindringliches Gebet, worauf der Gesangverein Arion drei Verse des schönen Liedes von Abt vortrug: „Sag, was zagest Du?“ Die ergreifende Feier erlangte mit dem wirklich treffenden Vortrage des Liedes einen versöhnlichen Abschluß.
So wurde ein katholischer Beckumer, der in Münster arbeitete, auf einem evangelischen Friedhof in Bielefeld unter großer Anteilnahme beigesetzt.“
Milde Strafen für Duellanten
Während der unglückliche Referendar Holtmann die letzte Ruhe auf dem Bielefelder Friedhof antrat, dürfte sein Duellgegner auf seinen Gerichtsprozess gewartet haben. Vor einer schweren Strafe brauchte er sich allerdings nicht fürchten: Anders als gewöhnliche Tötungsdelikte wurden Duelle mit Festungshaft zwischen drei Monaten und fünf Jahren bestraft. Diese besondere Form der Freiheitsstrafe galt anders als Gefängnis- oder Zuchthausstrafen als nicht entehrend. Häufig wurden Duellanten sogar überhaupt nicht gerichtlich verfolgt, da sich Richter und Verwaltung selbst dem zugrunde liegenden Ehrenkodex verpflichtet fühlten. Die Sonderbehandlung des Duells wurde übrigens erst 1969 aus dem deutschen Strafrecht entfernt.
BILDQUELLE: The Code Of Honor-A Duel In The Bois De Boulogne, Near Paris. In:Harper’s Weekly, New York: Harper Brothers, Vol. 19, No. 941 (9 January 1875), p. 41.
- Otto von Löwenstein (1833–1909) war von 1879 bis 1884 erster Präsident des neuen Landgerichts in Bielefeld. 1883 zog er für die Nationalliberalen in das Preußische Abgeordnetenhaus ein. 1884 folgte seine Berufung an das Reichsgericht. 1896 wurde er zum Senatspräsidenten ernannt. 1897 wurde von Löwenstein seine jüdische Abstammung bei einer Verhandlung des Reichsgerichts vorgehalten. 1907 trat er in den Ruhestand.
- Staatsanwalt Günther war von 1872-1892 „Erster Staatsanwalt“ und somit Leiter der Staatsanwaltschaft in Bielefeld. In seiner Amtszeit traten am 1.10.1879 die Reichsjustizgesetze in Kraft und das Landgericht Bielefeld nahm seine Tätigkeit auf.
- Theodor Jordan (1837–1921) war von 1875 bis 1908 Pfarrer der Neustädter Marienkirche in Bielefeld.